Donnerstag, 04.11.1999 (fünfter Tag)

Offizielles Wecken wieder mal um sechs. Da ich telefonische Weckdienste nicht leiden kann, stelle ich meinen Wecker schon auf kurz vorher.
Gerade als ich mit der Zahnbürste im Mund vor dem Waschbecken stehe, läutet der Weckdienst. Ich denke mir "na, der hört auch wieder auf" und ignoriere ihn. Und ignoriere ihn. Und ignoriere ihn. Und ignoriere ihn. Aber jetzt nervt's. Mit meiner Zahnbürste bewaffnet stürme ich zum Telefon und reiße den Hörer an mich. Ich bekomme gerade noch mit, wie am anderen Ende aufgelegt wird. Hrmpft. Immerhin ist jetzt Ruhe. Da ich gestern Abend noch geduscht habe, brauche ich nur noch Haare zu waschen. Ich bin gerade dabei, mir das Shampoo, das glücklicherweise im Bad stand, aus den Haaren zu spülen, da klingelt das Telefon wieder. Diesmal bin ich schlauer. So schnell es geht, wickle ich mir ein Handtuch um den Kopf und eile zu diesem elektronischen Störenfried. Diesmal komme ich gerade mal in die Nähe des Gerätes, bevor es aufhört zu klingeln. Ist das hier versteckte Kamera oder was ?
Langsam freue ich mich wieder aufs Büro. Da kann ich wenigstens länger schlafen. Aber ich will ja nicht meckern. Ich konnte wenigstens schlafen. Gerd hat ab dem Moment, an dem das Schiff abgelegt hat (3 Uhr nachts), kein Auge zugemacht, weil in seiner Kabine alles vibriert hat. Und das Huhn hat sich auch beschwert, daß sie ihn ihrer Kabine vor lauter Motorlärm fast nicht zum Schlafen kam. Hoffentlich wirkt sich das auf ihre Klappe aus ... Sie will sich bei Khaled beschweren. Na, der wird sich freuen.

VOR dem Frühstück geht's zum ersten Tempel. Haben wir ohne es zu wissen bei Sado-Tours gebucht ?
Kom Ombo.
Nein, das ist keine ägyptische Beschwörungsformel, sondern der Name des Tempels, den wir gerade besuchen. Dies ist der einzige Doppeltempel in Ägypten. Er ist den Göttern Sobek und Harperis geweiht. Hier gibt es einen altägyptischen Kalender und das bekannte Nilometer. Das ist ein tiefer Brunnen, der früher eine Verbindung zum Nil hatte. Jeweils zu Beginn und zum Ende des Nil-Hochwassers wurde der Wasserstand in diesem Brunnen gemessen und aufgrund der Differenz die Steuer für die Bauern berechnet. Oder so ähnlich. Außerdem sind hier noch einige Farben auf den Reliefs sehr gut erhalten. Fast so bunt wie die Kleidung der Touristen, die schon wieder in Massen rumsausen. Und das um diese Uhrzeit.

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Der Tempel Kom Ombo

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Das Nilometer

Danach gibt es endlich Frühstück auf dem Schiff. Trotz der immer noch frühen Stunde steht am Buffet eine endlose Schlange. Nur das Huhn sitzt schon da und mampft. So müde kann sie also doch nicht sein. Immerhin gibt es hier wieder einen, der frische Omeletts macht. Ist doch ein Lichtblick. Diesmal ist es ein Nubier. Wie uns Khaled erklärt hat, sind die Nubier dafür bekannt, daß sie sehr sauber und reinlich sind. Deshalb arbeiten auf den Nilschiffen fast nur solche Leute. Ist doch erfreulich. Nach dem Frühstück entspannen wir uns auf dem Oberdeck. Dies ist doch endlich eine günstige Gelegenheit, um die Postkarten nach Hause zu schreiben. Etwas störend wirkt sich nur die Tatsache aus, daß der Wind die Karten ständig fast vom Tisch pustet. Ich wollte sie eigentlich nicht als Wasserpost dem Nil überlassen.

Nil2
Nil1
Nil3
Ansichten während einer Nilkreuzfahrt

Der erneute Schlafentzug macht sich bei Geli bemerkbar. Sie beginnt, mich immer wieder mit „Jürgen“ anzusprechen. Wer ist Jürgen ? Ich werde daheim mal ihren Freund fragen müssen.
Nach dem Mittagessen besuchen wir den Horus-Tempel in Edfu. Wir werden sowohl von Mia und Geli als auch von Khaled vorgewarnt, daß die Kutscher, die einen vom Schiff zum Tempel bringen, sehr aufdringlich sind und ständig nach Bakschisch fragen, obwohl die Fahrt bereits bezahlt ist. Außerdem sind auch die Händler sehr penetrant, weil sie hier ausschließlich vom Tourismus leben und daher ihre Andenken verkaufen wollen.
Wir erklimmen zu viert unsere Kutsche, ignorieren das Angebot des Kutschers, der einen von uns nach vorne auf den Bock holen will, und lassen uns zum Tempel fahren. Erstaunlicherweise will der Kutscher beim Aussteigen gar kein Bakschisch, sondern erzählt nur irgenwas von der Rückfahrt. Zumindest, soweit ich ihn verstanden habe.
Die Händler vor dem Tempel sind tatsächlich leicht penetrant, aber wir kämpfen uns tapfer durch.
Für den Tempel selbst fällt mir nur mal wieder "beeindruckend" ein. Auch, wenn ich dieses Wort in meinem Tagebuch schon öfter strapaziert habe. Ist einfach so.
Wie üblich erzählt uns Khaled alles Wissenswerte über den Tempel und den Gott Horus. Was weiß der eigentlich nicht ? Khaled meine ich. Nicht Horus. Vor einer sehr gut erhaltenen riesigen Granitstatue des Falkegottes stellen wir uns zum obligatorischen Gruppenbild auf. Bin ja gespannt, ob wir davon auch einen Abzug bekommen.
Mia und Geli schaffen es dann doch noch, unseren Führer etwas zu verwirren, indem sie nach einem Relief fragen, auf dem ein Rezept abgebildet sein soll. Da sie auf Khaleds Rückfrage "was für ein Rezept" auch keine genaue Aussage machen können, einigen sich alle auf ein Salbenrezept, das zwei Nebenräume weiter ist. Unsere Mädels sind glücklich.

Edfu1
Der Eingang zum Horus-Tempel in Edfu

Edfu2
Die Statue des Falkengottes Horus

Bevor wir wieder zu den Kutschen zurückgehen, weist uns Khaled nochmals auf die Sache mit dem Bakschisch für die Kutscher hin. Er meint, wenn sie aufdringlich werden, sollen wir einfach "Khaled" sagen. Ein weibliches Mitglied von Wurm 1 fragt ganz intelligent, was das bedeutet. Hofft sie darauf, ein Ägyptisches Schimpfwort erfahren zu haben ? Khaled erklärt milde lächelnd, daß es sich dabei um seinen Namen handelt.
Scheinbar hat er einigen Einfluß bei den Kutschern. Naja, mal testen. Der Kutscher vom Herweg kommt sofort wieder auf uns zugestürmt. Ach so, DAS meinte er vorhin mit "Rückfahrt". Jeder bekommt wieder die gleiche Kutsche. Auf dem Weg zum Schiff sehen wir am Straßenrand ein totes Pferd liegen, auf das sein Kutscher immer noch wie blöd mit der Peitsche eindrischt. Wir beschließen, Edfu ab sofort noch weniger zu mögen.
Ich bin der letzte, der aus der Kutsche aussteigt. Der Kutscher dreht sich zu mir um und sagt irgendwas von Bakschisch. Ich mache die Probe aufs Exempel und werfe ihm ein "Khaled" zu. Es wirkt. Ich kann gerade noch zur Seite springen, sonst hätte er mich noch über den Haufen gefahren, so schnell verschwindet er. Und ich hatte mich schon aufs Streiten gefreut.

Da wir noch ein paar Stunden Zeit haben (der nächste Programmpunkt ist erst Tea-Time gegen Abend), legen wir uns noch ein wenig hin. Zur vereinbarten Zeit bin ich auf dem Oberdeck vertreten. Aber ohne Geli, Mia und Gerd (GMG). Hm. Trinke ich meinen Kaffee halt alleine. Der Wind hat noch etwas mehr aufgefrischt. Er weht einem fast den Kaffee aus der Tasse. Ich setze mich zu Günther und Werner und unterhalte mich ein wenig mit ihnen.
Wir haben einen herrlichen Sonnenuntergang (hier bereits zwischen 17 und 17:30 Uhr). Tja, GMG, den habt Ihr wohl verpaßt.
Irgendwann tauchen die drei dann doch noch auf. Wir überlegen, ob die Verkleidung schon beim Abendessen angebracht ist oder erst bei der Party danach. Wir entscheiden uns für die Party. Als wir aber bereits verkleidete Gäste in Richtung Bordrestaurant gehen sehen, bemerken wir, daß wir wohl nicht ganz so richtig liegen und ziehen uns noch schnell um.
Und jetzt stellen wir wieder mal fest, daß es doch Spaß macht, mit Franken zu reisen. Der Großteil von Wurm 1 und Wurm 2 hat normale Klamotten an (obwohl die Kaftans - oder Kaftane ? - doch weit genug sind, daß auch eine dicke Frau mit Bart oder ein Atombusen reinpassen) und die, die sich Galabijas gekauft haben, sehen dermaßen quietschig-schreiend-zum davonlaufen-bunt aus, daß uns fast schon wieder der Appetit vergeht.
Doch halt, man hat uns ja für diesen Abend ein original ägyptisches Buffet versprochen. Richtig gewürzt und so. Also stellen wir uns an der Schlange an. Ich entscheide mich endlich mal wieder für "Bief" und "Tschicken" mit Beilagen, da ich nicht sicher bin, ob diese Brocken da hinten nicht eventuell "totes Pferd" sind. Wir probieren die echt einheimischen Speisen und gucken uns zweifelnd an. Naja. Wo ist der Salzstreuer ?

Einige Zeit später: Beginn der Nubischen Party. Werner und Günther haben ebenfalls Galabijas an. Na bitte, die verstehen wenigstens Spaß. Und das, obwohl wir inzwischen wissen, daß sie beim Finanzamt Nürnberg arbeiten.
Wir machen schnell ein "Gruppenbild mit Sechx". Der Kellner ist so freundlich, uns alle zu knipsen. Wir sitzen vorsichtshalber ziemlich weit hinten im Eck.
Die Show beginnt. Ein Schwung Nubier führt angeblich traditionelle Tänze vor. Jetzt verstehen wir auch, was Khaled meinte, als er uns erklärte "Nubier wackeln bei Tanzen mit Popo". Und natürlich müssen die Gäste da mitmachen. Wir stellen fest, daß es nichts nützt, sich ziemlich weit hinten im Eck zu verstecken. Sie zerren uns gnadenlos vor. Hätte wohl keiner von uns sechsen daheim gedacht, daß wir jemals auf der Tanzfläche eines Nilkreuzfahrtschiffes stehen, zu nubischen Klängen eine Polonaise hinlegen und dabei mit dem Popo wackeln würden. Auf jeden Fall bedauern wir es ziemlich schnell, unter unseren Galabijas normale Kleidung anbehalten zu haben. (Man weiß ja nicht, womit die Dinger behandelt sind und wir hatten keine Gelegenheit mehr, sie zu waschen.) Wir schwitzen. Uns ist heiß. Das Wasser läuft uns überall runter. Mia und Geli sind knallrot im Gesicht. Sie scheinen die Lieblinge der Nubier zu sein, denn sie kommen während der ganzen Show fast nicht von der Tanzfläche runter. Muß wohl an Gelis Kuhaugen liegen. Die gelten in Ägypten als Schönheitssymbol.
Klasse Abend. Trotzdem werden die Gäste so nach und nach weniger.
Irgendwann gehen auch wir ins Bett.

Schon wieder ist ein Tag in Ägypten vorbei. Mist.