Sonntag, 31.10.1999 (erster Tag)

Mein Wecker klingelt um 8 Uhr. Ich bin sofort hellwach. Aufregung. Ich fahre nach Ägypten. Ich rufe Mia an, damit sie Geli anruft. Nur für den Fall das diese verschlafen hat. Wir kennen doch unsere Geli.

Wir treffen uns pünktlich um 10 Uhr. Obwohl in der vorigen Nacht die Umstellung von Sommerzeit auf Winterzeit erfolgte, war niemand eine Stunde zu früh dran. Das könnte ein gutes Omen sein. Nachdem alle Koffer und Passagiere im Bus verstaut sind (oft nach langwierigem, herzhaftem Abschied von zurückgebliebenen Männern und Kindern) geht es los.
Gleich nachdem die Türen im Bus verschlossen sind (wohl damit niemand mehr fliehen kann) werden wir mit der erfreulichen Tatsache konfrontiert, daß sich sämtliche Flugzeiten verschoben haben. Wir bekommen einen Plan mit den geänderten Terminen und stellen fest, daß in Ägypten die Flugzeuge scheinbar nur nachts fliegen. Also gut, Schlaf ade.
Wir plappern alle wild und lustig durcheinander. Geli und Mia lesen ihr Tagebuch von ihrer letzten Ägypten-Reise. Sie prusten und kichern. Die Fahrt nach München zum Flughafen verläuft prima. Keine Staus oder sonstigen Schwierigkeiten. Zur Belohnung dafür haben wir hier ein paar Stunden Aufenthalt. Wir sollen auch noch auf so eine Tante aus unserem Reisebüro warten, die uns hier beim Check-In helfen will. Scheinbar ist aber die Autobahn inzwischen hoffnungslos verstopft, weil sie nicht kommt. Vielleicht hat sie ja auch nur verschlafen oder ist zum falschen Flughafen gefahren.
Nachdem wir über zwei Stunden ergebnislos gewartet haben, beschließen wir, die Tickets selbst auszuteilen. Die Mitarbeiterin von Egypt Air protestiert. Was willste, Mädel ? Wir sind 45 (inzwischen ziemlich genervte) Leute und Du bist alleine. Also rück' die Tickets raus. Das scheint sie irgendwie einzusehen und gibt nach. Beim Check-In erfahren wir, daß unser Flug etwa eine Stunde Verspätung hat. Zum Trost bekommen wir jeder einen Verzehrgutschein über 10 DM, den wir an der Bar in der Lounge einlösen können. Das ist halt der Unterschied zur Lufthansa. Wenn da eine Maschine Verspätung hat, hat man Glück, wenn man wenigstens eine Entschuldigung bekommt. Bedenkt man nun aber, daß unser Abflug um 15:30 Uhr sein sollte und wir erst um 17:15 Uhr tatsächlich abheben, scheinen die 10 DM allerdings auch wieder etwas schäbig. Außerdem wird man jetzt scheinbar schon mal mit der ägyptischen Einstellung von Pünktlichkeit bekanntgemacht. Immerhin erfahren wir während unseres Wartens noch, daß bei New York eine Maschine der Egypt Air (genausoeine wie die, mit der wir fliegen) abgestürzt ist. Das beruhigt irgendwie auch nicht gar so sehr ...

EgyptAir

Wie gesagt, mit viel Verspätung machen wir uns auf den Weg. Und zwar direkt nach Frankfurt. Gut, wer sich auch nur etwas in Erdkunde auskennt, dem wird auffallen, daß von München aus gesehen Frankfurt eigentlich genau in der entgegengesetzten Richtung von Kairo liegt. Stimmt. Das bemerken wir auch. Aber wenn man bedenkt, was ein innerdeutscher Flug von München nach Frankfurt kostet und wir diesen völlig umsonst bekommen, dann ist das ja eigentlich eine Aufwertung. Und außerdem sind noch Passagiere an Bord, die aus Kairo kommen und in Frankfurt raus wollen. Was tut man nicht alles, wenn man keine andere Wahl hat.
In Frankfurt angekommen steigen diese Passagiere aus und neue ein. Wir Wartenden werden höflich aufgefordert, unsere Sicherheitsgurte zu lösen, während die Maschine steht. Ob dies nun einen tieferen religiösen Sinn hat oder warum wir das sonst machen sollen, wird uns nicht erklärt. Nach diesem kurzen Abstecher nach Frankfurt machen wir uns doch tatsächlich schon um 19:30 Uhr auf den Weg. Und Gerüchten zufolge soll es diesmal doch tatsächlich direkt nach Kairo gehen. (Nur zur Erinnerung: Eigentlich sollten wir bereits 4 Stunden früher von München aus dorthin unterwegs sein. Sozusagen wären wir jetzt schon dort.)
Während des Fluges sehe ich mich in der Maschine um. Dabei fällt mir auf, daß ein Teil der Innenverkleidung mit Klebeband befestigt ist. Bringt man diese Entdeckung mit der abgestürzten Maschine in Verbindung, dann steigt doch ein ganz klein wenig Unruhe in einem auf. Und die Triebwerke geben auch so ein ominöses Brumm-Brumm von sich.Soll das so sein ?
Um mich abzulenken, konzentriere ich mich auf die Bordmahlzeit. Es gibt "Bief" oder "Tschicken" nach Wahl. Diese Ägypter sprechen schon ein putziges Englisch. Ehrlich.
Um 0:30 Uhr Ortszeit (entspricht unserer Sommerzeit - also Zeitumstellung wieder zurück) kommen wir tatsächlich in Kairo an. WOW ! Kairo Airport bei Nacht ! Absolut beeindruckend. Glaswände ! Marmorboden ! Zollbeamte ! Naja, so wie jeder Flughafen bei Nacht eben. Genau betrachtet also eigentlich nichts Besonderes. Was habe ich auch erwartet ? Mumien bei der Paßkontrolle ? Sarkophage auf dem Kofferkarussel ? Aber eines fällt mir doch auf: Die Luft ist schlecht. Eigentlich stinkt es sogar. So richtig schön nach Smog. Prima. Der Beamte der Einreisebehörde schaut sich meinen grünen Paß ganz skeptisch an. Irgendwie fällt ihm wohl auf, daß alle anderen Deutschen mit einem roten Paß ankommen. Er ist scheinbar doch nicht farbenblind. Ich altere schlagartig um Jahre. Nach einer Zeitspanne, die mir wie Tage vorkommt, gibt er mir den Paß zurück und winkt mich durch. Ich atme auf.
Kurz nach eins geht es dann mit dem Bus zum Hotel. Dort wartet die nächste Überraschung auf mich. Obwohl ich Einzelzelle gebucht und bezahlt habe, wollen die mich mit jemandem, den ich nicht kenne, in ein Zimmer packen. Aber nicht mit mir. Mit der letzten mir noch verbliebenen Kraft protestiere ich energisch. Mit Erfolg.
Ansonsten ist das Hotel bei Nacht sehr beeindruckend. Ich hoffe, am Tag auch noch. "Cataract Resort Pyramids" Das klingt schon nach was.

Cataract

Unsere Koffer werden vom Personal aufs Zimmer gebracht. Hoffentlich dauert das nicht so lange. Schließlich ist da der eingeschmuggelte Sekt drin, mit dem wir (Mia, Geli, Gerd und ich) auf den Beginn unseres gemeinsamen Urlaubs anstoßen wollen.
Ich warte.
Kurz nach zwei Uhr nachts: Noch kein Koffer da.
Halb drei: Wo bleibt das Gepäck nur ?
Kurz vor drei: Die Zeit geht ins Land. Immer noch kein Koffer. War ich etwa zu energisch, als ich auf mein Einzelzimmer bestand ? Ist das jetzt die Strafe ?
Drei Uhr: Endlich das erlösende Klopfen an der Tür. Mein Koffer ist da. Ich haste zu Mia/Gelis Zimmer. Natürlich haben die ihr Gepäck schon vor einer Stunde bekommen. Also gut. Wir kippen noch schnell unseren Sekt hinunter und machen ein lustiges Gruppenfoto. Ich schlafe fast im Stehen ein. Seltsamerweise kann ich dann im Bett nicht schlafen. Der Urlaub fängt ja gut an.

Aber ich bin in Ägypten !