Freitag, 05.11.1999 (sechster Tag)

Wir werden mal wieder um 6 Uhr geweckt. So langsam gewöhnt man sich daran. Auch wenn mich Geli immer öfter Jürgen nennt.

Die erste Station heute ist der Karnak-Tempel, mit seiner berühmten Säulenhalle, die wohl in fast jedem Film vorkommt, der in Ägypten gedreht wurde. Nur irgendwie waren bei "Tod auf dem Nil" mit Peter Ustinov viel weniger Touristen da als heute.
Gleich hinter dem ersten Pylon sehen wir, wir die Ägypter damals diese gewaltigen Mauern aufgebaut haben. Sie haben nach und nach Schrägen aus ungebrannten Lehmziegeln aufgeschichtet, über die die Steinquader nach oben transprotiert wurden.
In Karnak entsteht auch unser "Geli und Mia umarmen eine Säule"-Foto.

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Geli und Mia umarmen ...

Auf einer Wand hinter der Säulenhalle erklärt uns unser Führer ein Relief. "Hier sehen wir, wie der Pharao seine Feinde besiegt und gefangennimmt. Diese Feinde waren Touristen aus Frankfurt und Nürnberg." Na, den Lacher hat er auf jeden Fall auf seiner Seite.
Am anderen Ende des Tempels steht der Skarabäus. Dies ist eine etwa halbmetergroße Statue eines solchen Käfers auf einem Steinsockel. Es gibt die Legende, daß Frauen, die ein Kind bekommen möchten, siebenmal um diesen Skarabäus herumlaufen müssen, dann würden sie schwanger. Von Khaled bekommen wir eine etwas angepaßtere Version zu hören. "Sieben mal rumlaufen, gegen Uhr, dann wird Wunsch erfüllt." Das Huhn in all seiner Intelligenz muß natürlich nachfragen, was er mit "gegen Uhr" meint. Nachdem sie es erklärt bekommt, bleibt sie brav neben der Statue stehen, um abzuwarten, ob eventuell jemand anderer von Wurm 1 rumlaufen wird. Als Geli und Mia anfingen, den Käfer zu umrunden, schließt sie sich ihnen an, aber nicht ohne ihren Mann nach jeder zweiten Runde zu fragen "Wäi oft binnin etza scho rum ?" Und wenn ich diesen Ägypter sehe, der seine Frau förmlich um den Skarabäus herumschiebt, dann zweifle ich doch etwas an Khaleds Worten und glaube wieder an das Gerücht mit der Schwangerschaft ...

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Die große Säulenhalle

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Die Farben sind noch sehr gut erhalten

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Einer von Hatschepsut’s Obelisken

Am heiligen See in der Tempelanlage sind Stühle für die "Light and Sound-Show" im Tempel aufgebaut. Mia und Geli haben diese bei ihrem letzten Besuch gesehen und waren davon begeistert. Wir wollen Khaled fragen, ob es eine Möglichkeit gibt, diese Show heute auch zu besuchen.

Wieder im Bus sehe ich, wie Geli mit beiden Händen wild aus dem Fenster fuchtelt. Ein Blick nach draußen bestätigt mir meine Vermutung. Sie feilscht mit einem Straßenhändler, der unbedingt eine kleine Katzenstatue loswerden will. Ist richtig putzig, die beiden (Geli und den Händler) bei ihrem stummen Handzeichengespräch zu beobachten. Erst als unser Busfahrer den Motor anläßt, gibt der da draußen nach und winkt Geli zu sich. Sie stürmt nach vorne zur Tür und kommt kurze Zeit später voller Stolz mit ihrer Statue zurück. Na endlich. Wurde auch Zeit, daß jemand anfängt, Tinnef zu kaufen.

Nach Karnak kommt der zweite Tempel des Tages, nämlich der von Luxor. Nur will mir jetzt nicht allzuviel einfallen, was ich dazu aufschreiben könnte.

Luxor
Der Eingang zum Tempel von Luxor (mit einem Nürnberger Finanzbeamten von hinten ...)

Anschließend fahren wir zu einem Goldhändler. Auf unsere Anfrage hin versichert uns Khaled, daß es dort auch Silberschmuck gibt. Naja, direkt gelogen hat er damit nicht. Aber irgendwie hat sich der Händler eindeutig mehr auf das teurere Gold spezialisiert. Die Silberecke hat ziemlichen Ramschcharakter. Und der Silberschmuck selbst wirkt auch ziemlich blechern.
Mia sucht Ringe für sich und ihren Schatz. Sie findet auch in der Goldabteilung welche, die ihr gut gefallen, nur sind die zu teuer (180 Mark das Stück). Geli sucht ebenfalls Ringe für sich und ihren Freund. Aber bei der vorherrschenden Silberqualität läßt sie lieber die Finger davon. Ich kaufe mir einen Ring. Den kann ich ja Gesine zeigen und sie fragen, ob sie so einen in besserer Qualität besorgen kann. Wofür hat man denn seine Kontakte zum Einzelhandel ? Gerd kauft einen sehr schönen Goldanhänger für seine Schwester.
Als wir auf dem Schiff zurück sind, fällt Mia ein, daß die Preisangabe in dem Laden ja nicht Mark, sondern Pfund waren und die Ringe dann doch nicht zu teuer gewesen wären. Typisch. Sowas kann doch sonst niemandem passieren.

Nachmittags geht es ab nach Theben West zum Tal der Königinnen. Kaum sind wir hier aus dem Bus, fallen die Händler wie Heuschrecken über uns her. Wir wollen aber nichts kaufen. Wir wollen Gräber sehen. Geli bekommt von einem besonders hartnäckigem Einheimischen als Geschenk eine zwei Zentimeter große Figur von Weiß-nicht-was als Geschenk in die Hand gedrückt, was Mia wieder grinsend zu der Bermerkung mit den Kuhaugen und dem Schönheitsideal veranlaßt. Jetzt wartet der Händler sicher darauf, daß wir auf dem Rückweg wieder bei ihm vorbeikommen und er erneut lästig werden kann.
Im Tal der Königinnen besichtigen wir nur ein einziges Grab mit einem ausgestellten mumifizieren Fötus. Erkennt man auch nur, weil es dran steht. Sorry, aber ansonsten könnte es auch ein mumifizierter Dackel sein.
Für den Rückweg zum Bus hat sich Geli eine Überraschung für den Händler einfallen lassen. Sie nimmt einfach ihren großen Strohhut ab und versteckt ihn unter ihrem Hemd. Die List funktioniert. Er hatte sich scheinbar wirklich nur den Hut gemerkt und erkennt sie ohne nicht wieder. Wir kommen alle vier ungeschoren an ihm vorbei. Schließlich wartet er auf den Hut mit den Kuhaugen.

Und jetzt fahren wir endlich zum Tal der Könige. Unterwegs zeigt uns Khaled noch rechts auf einem Hügel das Haus von Howard Carter, der damals das Grab von Tut-Ench-Amun entdeckt hat. Ich reiße meinen Fotoapparat hoch und drücke auf den Auslöser. Allerdings rechne ich (wie schon in Assuan, als ich den Katarakt zu fotografieren versuchte) mit keinem sehr guten Foto.

Carter
Das Haus von Howard Carter

Mia und Geli haben uns schon vorgewarnt, weil sie bei ihrem letzten Besuch in der größten Hitze vom Bus zu Fuß zum Tal hin- und zurücklaufen mußten. Doch die Zeit geht auch an Ägypten nicht spurlos vorbei. Inzwischen gibt es eine asphaltierte Straße, auf der kleine Mini-Züge die Touristen von der Bushaltestelle direkt bis ins Tal fahren. Khaled erklärt uns, daß im Eintrittspreis die Besichtigung von 3 Gräbern enthalten ist. Wer das Grab von Tut-Ench-Amun besichtigen will, muß 40 Pfund extra bezahlen. Aber da ein Grab im Endeffekt aussieht wie das andere, lohnt sich diese Ausgabe nicht. Wir sind anderer Meinung, GMG und ich kaufen als einzige die Extra-Karten für Tuti. Wenn ich schon mal hier bin, dann werde ich mir DAS sicher nicht entgehen lassen. Ob es sich für mich lohnt, möchte ich schon selbst entscheiden.

EiTut

Zuerst werden aber die Gräber von drei verschiedenen Ramsessen besichtigt. (Ramses III, IV und IX) Gut, da hat Khaled recht, die Unterschiede sind wirklich nicht gar so groß. Das Huhn nutzt die Zeit, die wir jeweils wartend vor den Grabeingängen verbringen dazu, Fliegen und Mücken, die sich auf ihren nackten Waden niederlassen (sie trägt tatsächlich knallrote Shorts), mit der Hand abzuklatschen und danach lautstark auf dem Boden zu zerstampfen. Wir gucken Khaled fragend an. Dürfen wir sie hierlassen ? Ist noch ein Sarkophag frei ? Wir zahlen auch dafür !

Und dann darf endlich der gesamte Rest von Wurm 1 auf uns warten, während wir in das Grab von Tut-Ench-Amun hinabsteigen. Leider muß mein Fotoapparat draußen bleiben.
Wir sind gespannt. Jeder von uns vieren kennt die Geschichte, wie Howard Carter 1922 das Grab entdeckt hat. Wir sehen in der ersten großen Kammer die Mengen von Grabbeigaben, die jetzt über Museen in aller Welt verstreut sind, förmlich noch vor uns liegen. In dem kleinen Raum dahinter steht nur ein alter Holzschemel. Der stammt aber sicher nicht aus dem Schatz. Jetzt ein Blick nach rechts: Dort ist die Grabkammer mit dem Sarkophag. Ich habe das zweite große Ziel, das ich mir für diese Reise gesetzt hatte, erreicht. (Das erste war Abu Simbel) Ich glaube, jeder von uns hat eine Gänsehaut. Welch ein Glück, daß sonst niemand von Wurm 1 dabei ist. Es ist einfach überwältigend. Die Farben, mit denen die Wände bemalt sind, sind noch fast in Originalqualität erhalten. Wir trauen uns nicht mal, laut zu sprechen. Der vergoldete Sarkophag mit der Mumie flößt Ehrfurcht ein. Wir stehen einfach nur da und staunen.

Als wir eine Ewigkeit später wieder oben auftauchen, fallen die unsere Mitreisenden natürlich mit Fragen über uns her. Das Huhn platzt fast vor Neid, weil sie nicht mit runtergegangen ist. Nein, meine Liebe, DIESEN Augenblick konntest Du uns nicht kaputtmachen. (Unter uns: Selbst wenn das Grab absoluter Mist gewesen wäre, hätten wir in den höchsten Tönen davon geschwärmt, nur um diese Frau zu ärgern)
Als wir weitergehen wollen, stellt Khaled bei der Zählung fest, daß zwei fehlen. Gerd und ich schauen uns sofort nach Mia und Geli um. Nein, die sind es diesmal nicht. Die sind hier. Dafür gehen die anderen beiden von unserem Sechserteam ab. Wo sind Günther und Werner ? Zum Glück hat Günther die Angewohnheit, immer mit poppig-bunten T-Shirts herumzulaufen, so daß wir die beiden relativ schnell auf einem Hügel ausmachen können.

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Wir gehen ins Tal der Könige

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Verschiedene Grabeingänge

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ENDLICH !!!

Auf dem Weg zum Stufentempel der Königin Hatschepsut machen wir noch Halt in einer Alabsterfabrik. Khaled erklärt uns hier, wie man ägyptische Alabasterprodukte in Handarbeit herstellt und wie man sie von maschinell hergestellten unterscheiden kann. Und wie es der Zufall will, können wir auch hier wieder einkaufen.
Im Laden gibt es nicht nur Sachen aus Alabaster, sondern auch auch Marmor, Granit, Speckstein und so weiter. Riesige Regale an den Wänden voll mit Statuen, Obelisken, Pyramiden und was Ägypten sonst noch so zu bieten hat. Ich gucke mir einen kleinen Obelisken aus schwarzem Alabaster an und frage einen Verkäufer, was der kostet. Er nennt einen ziemlich hohen Preis. Ich sage nur "Nö, zu viel" und will mich abwenden. Er hält mich an der Schulter fest und meint "Du sagen Preis". Natürlich staple ich jetzt bewußt tief. Der Verkäufer guckt mich gespielt-entsetzt an, als wäre mir eben ein zweiter Kopf gewachsen. Nach einigem Hin- und Hergefeilsche einigen wir uns auf einen Preis. Und nachdem das so gut geklappt hat, kaufe ich mir auch noch ein Relief der Göttin Isis. Pyramiden kaufe ich hier nicht. Die will ich mir stilgemäß in Giza besorgen, wo auch die Originale davon rumstehen. Gerd kauft eine kleine Pyramide als Mitbringsel zum verschenken. Geli nimmt einen Anubis aus Was-weiß-ich. Schwarz ist er halt.
Und Mia tauscht ihre Puma-Armbanduhr gegen eine Alabasterkatze. Auch nicht schlecht. Die Frage ist nur, was ihr Mann dazu sagt. Dem gehört (bzw. gehörte) die Uhr.
Ach ja, hier gibt es auch wieder Tee. Und wieder schaffe ich es, nichts abzubekommen. Darin bin ich schon ein richtiges Talent.

Nachdem Wurm 1 und Wurm 2 mit Andenken versorgt sind, geht es weiter zum Tempel der Hatschepsut. Das Äußere dieses Bauwerks dürfte den meisten Leuten noch wegen des Attentats auf Touristen vor einigen Jahren bekannt sein. Die Einschußlöcher der Maschinengewehre in den Säulen sind noch deutlich zu erkennen, da sie nur mit Gips ausgebessert wurden. Leider dauern die Bauarbeiten an diesem Tempel wohl noch länger an, so daß noch nicht alle drei Ebenen zur Besichtigung freigegeben sind. Auf einem der Reliefs wird die Reise der Hatschepsut in das Land Punt dargestellt. Unter anderem auch die Begrüßung durch den dortigen König und seine Frau. Diese Frau soll auf einem Esel geritten sein, weil sie zu dick zum laufen war. Leider ist ihr Gesicht auf dem Relief nicht ganz deutlich zu erkennen. So sehe ich nicht, ob diese dicke Frau auch einen Bart hat ...
Wo ist jetzt die Geli hin ? Mia guckt ganz hektisch um sich. Ich beruhige sie. Bestimmt ist ihre Freundin schon zum Bus vorgegangen. Die geht schon nicht verloren. Und siehe da: im Bus stellen wir fest, daß ich recht hatte.

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Der Stufentempel der Königin Hatschepsut

Auf dem Rückweg zum Hotel machen wir Halt bei den gigantischen Memnonkolossen. So langsam haben wir das Niveau von japanischen Touristen erreicht, die schnell für 5 Minuten Fotopause aus dem Bus hüpfen, um anschließend sofort weiterzufahren. Aber da sowieso schon die Sonne untergeht, nützt es uns auch nichts, wenn wir länger dableiben.

Memn1
Die Memnonkolosse ...

Memn2
... bei Sonnenuntergang

Bei der Weiterfahrt erklärt uns Khaled, daß wir am nächsten Tag nicht wieder um sechs Uhr aufstehen müssen. Bevor wir jedoch dazu kommen, uns zu freuen, teilt er uns mit, daß wir stattdessen um vier geweckt werden. Das ist der Zeitpunkt, an dem GMG und ich beschließen, die Light und Sound-Show im Karnak-Tempel ausfallen zu lassen.

Da es unser letzter Abend auf dem Schiff ist, bekommen wir das Abendessen bei Kerzenlicht serviert. Das ist doch ein netter Ausklang unserer kurzen Nilkreuzfahrt.