Samstag, 07.11.1999 (siebter Tag)

Wie versprochen ruft dieser besch.... Weckdienst um vier Uhr an.
Allerdings bekommt uns die Vorstellung, daß wir heute noch die Pyramiden sehen werden, doch relativ schnell wach. Im Bus nervt nur wieder (wie üblich) das Huhn, da sie ihre dumme Klappe einfach nicht halten kann. Warum kann die nicht wie der Rest der Gruppe vorne im Bus sitzen und uns die hintere Hälfte überlassen ?
Am Flughafen gibt es die üblichen Prozeduren und die übliche Verspätung. Wir fragen uns wieder mal, warum wir uns so bald aus dem Bett gequält haben, wenn wir dann in der Abfertigungshalle sitzen und warten.

In Kairo geht es direkt vom Flughafen aus zu den Pyramiden. Mia und ich verleihen unserer Vorfreude Ausdruck und hüpfen auf unseren Sitzen im Bus herum.
Nach einer halben Stunde Fahrt durch Kairo kommen die Pyramiden in Sicht.
Ich habe mir immer vorgestellt, daß diese irgendwo mitten in der Wüste liegen. Das war vielleicht mal so. Inzwischen reicht Kairo schon fast bis an die Bauwerke heran.
Khaled erklärt uns, daß die Cheopspyramide für Touristen fast komplett gesperrt ist. Nur 100 Leute dürfen pro Tag da hinein. Er versucht aber trotzdem noch, Karten für uns zu bekommen. Leider zu spät. Ich bin zwar enttäuscht, habe aber schon damit gerechnet. Die warten sicher nicht ausgerechnet auf uns. Die Chephrenpyramide ist vollständig gesperrt. Lediglich die kleine Mykerinospyramide ist freigegeben. Gut, wenn wir reingehen, gehe ich mit, aber ich muß sie nicht unbedingt haben. Wenn, dann will ich eigentlich in die große.
Zuerst fahren wir sowieso auf eine Aussichtsplattform, von der aus man einen sagenhaften Blick über alle drei Pyramiden hat. (Japanischer Fototermin)

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Die Cheops- und die Chephrenpyramide

Als wir mit dem Bus direkt an die Pyramiden fahren, entscheidet die Mehrheit der Mitreisenden (genaugenommen alle außer uns), daß keine der Pyramiden besichtigt wird. Mia ist den Tränen nahe. Khaled macht den Eindruck, als hätte er gar nichts dagegen, die Besichtigung ausfallen zu lassen. Scheinbar hängen wir dem Zeitplan schon wieder hinterher. Als wir den Bus verlassen, maulen Mia und Geli massiv rum. Sind sie etwa sauer ? Nein, ich glaube, der Begriff "stinkwütend" kommt der Sache schon näher.
Ich gebe Gerd ein Zeichen für strategischen Rückzug. Bin ich feige ? Vielleicht, aber es gibt da einen gewissen Punkt, an dem "mutig" in "lebensmüde" übergeht. Und dieser Punkt ist nicht mehr sehr weit weg. Die Mädels beschließen, (da sie jetzt auch noch von Gerd und mir verlassen werden) die Pyramide auf eigene Faust zu besichtigen. Da wir nur 45 Minuten Zeit haben, schaffen sie das garantiert nicht. So lange stehen sie schon alleine an der Schlange vor der Pyramide an. Aber jetzt ist nicht der richtige Moment, sie darauf hinzuweisen. Wir lassen sie laufen.
Gerd und ich schauen zuerst die Chephrenpyramide an und umrunden dann das Bauwerk von Cheops. Gigantisch. Das dritte große Ziel auf meiner Liste ist erreicht. Etwas lästig sind nur diese extrem aufdringlichen Händler und Kameltreiber. Ich kann mir wirklich Schöneres vorstellen, als auf einem Kamel sitzend um eine Pyramide herumgeführt zu werden.
Schnell fülle ich noch etwas Sand in eine leere Wasserflasche. Ich weiß zwar noch nicht genau, was ich damit machen werde, aber Sand von den Pyramiden macht sich immer gut.
Was wir uns verkneifen, ist die Besichtigung der Nilbarke des Königs Cheops. Diese wird in einem Betonbau (ich wiederhole: BETON) direkt neben seiner Pyramide ausgestellt. Wer dieses Museum dorthin gestellt hat, der gehört gesteinigt.
Irgendwann stoßen Mia und Geli wieder zu uns. Wie erwartet waren sie nicht in der kleinen Pyramide. Trotzdem hat sich ihre Laune inzwischen geringfügig gebessert, da sie sich schon an den Händlern und Kameltreibern abreagieren konnten. Und DAS hätte ich nun wieder gerne gesehen.
Wir stellen fest, daß heute wohl nicht der beste Tag unserer Mädels ist.

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Die Chephrenpyramide

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Ich bin wirklich da !!!

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Die Cheopspyramide

Nächste Station ist die Sphinx. Ist ja auch nicht weit weg. Ich will ja ehrlich nicht schon wieder "beeindruckend" schreiben, aber so ist es nunmal. Ich glaube, "gigantisch" hatte ich auch schon, oder ? Für Ägypten müßte man noch ein paar weitere Superlative erfinden.
Natürlich zappelt die Gegend nur so vor Touristen. Als wir uns endlich durch die Tür in der Absperrmauer gequetscht haben und auf dem Gelände der Sphinx stehen, stelle ich fest, daß wir Mia und Geli verloren haben. Nun gut, die tauchen schon wieder auf. Gerd und ich genießen den Anblick des Steinmonuments mit den Pyramiden im Hintergrund.
WAHNSINN !!!

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Wir gehen nach einer Viertelstunde wieder nach draußen und sehen Mia und Geli in einiger Entfernung stehen und rauchen. Nachdem wir uns alle wieder versammelt haben, erzählen sie uns, daß sie Leute direkt an den Füßen der Sphinx umhergehen sahen und dort auch hinwollten. Und hektisch wie die beiden nunmal sind, standen sie plötzlich wieder draußen vor der Tür. Ist heute scheinbar wirklich nicht ihr Tag. Und ihre Laune ist deshalb auch schon wieder auf dem Tiefpunkt. Jetzt stehe ich da und halte verzweifelt Ausschau nach einem neuen Gesprächsthema. Nur wie immer in solchen Momenten fällt einem nichts Vernünftiges ein.

Als wir im Hotel ankommen (das gleiche, das wir am Montag auch schon hatten), gibt es Mittagessen. Auf dem Buffet erwarten uns unter anderem mal wieder "Bief" und "Tschicken". Khaled erklärt uns, daß wir eingeladen sind und für das Essen nichts bezahlen müssen. Nur für die Getränke. Geli und Mia bestellen sich eine Dose Bier, um ihren Frust runterzuspülen. Das klappt auch. Bis sie die Rechnung für das Bier bekommen. 20 Pfund. Scheinbar sind die Preise für's Essen bei den Getränken mit eingerechnet.

Bei der Zimmeraufteilung stelle ich fest, daß sie hier den gleichen falschen Zimmerbelegungsplan haben, der am Wochenanfang schon vorlag. Will sagen: Ich habe wieder kein Einzelzimmer. Gut, inzwischen weiß ich wenigstens, daß es Werner ist, den sie mir schon zum zweiten mal mit ins Zimmer packen wollen. Und außerdem habe ich nicht vor, in dieser Nacht zu schlafen, da wir schon wieder um ein Uhr aufstehen müssen, um unser Flugzeug nach Hause zu bekommen, aber trotzdem habe ich ein Einzelzimmer bezahlt und das will ich auch. Khaled verspricht mir, daß ich es bekomme, wenn wir heute Abend mit dem Bus zurückkehren. Ich gucke demonstrativ skeptisch, gebe aber nach.

Zuerst besichtigen wir an diesem Nachmittag Memphis, die ehemalige Hauptstadt des alten Reiches. Leider ist davon fast gar nichts mehr zu sehen. Lediglich die liegende Kolossalfigur von Ramses II und einige kleinere weitere Statuen sind noch dort. Irgendwie ist Wurm 1 an dem Dutzend Hundewelpen, die im Hof umherstreunen, mehr interessiert. Und da sie hier für's Fotografieren schon wieder extra kassieren, mache ich keine Bilder.

Die letzte Station unserer Ägyptenreise ist die Stufenpyramide des Königs Djoser in Sakkara. In Ägypten heißt der übrigens Zoser. Und wird wie Soser ausgesprochen.
Diese Pyramide ist der erste Monumentalbau der Welt aus behauenen Steinen und wurde von dem legendären Architekten, Arzt und Universalgenie Imhotep gebaut. Das Bauwerk steht auf einem Gelände, das ringsum von Mauern umgeben ist. Zum Glück dachten die Bauherren scheinbar damals schon an die Eintrittskartenpolitik von heute.
Beim Drumherumlaufen fangen wir uns versehentlich einen der bewaffneten Posten ein, der uns jeweils mit dem Wort "Zoser" zuerst eine Statue des Königs und dann den Eingang zur Pyramide zeigt. Zweifelsfrei hätten wir beides auch so gefunden. Ist ja nicht zu übersehen. Aber dann könnte er kein Bakschisch verlangen. Nun gut, einmal in der Woche kann man ruhig Trinkgeld bezahlen. Und außerdem ist seine Maschinenpistole sehr überzeugend.
Dafür lehnen wir es erneut höflich aber bestimmt ab, auf einem Kamel um eine Pyramide herumgeführt zu werden.

Sakka
Die Pyramide des Königs Djoser (Zoser)

Das letzte Foto geht für einen Schnappschuß aus dem fahrenden Bus drauf. Palmenhain und Kairo. Abschiednehmen gewissermaßen.

Cairo
Das Abschiedsfoto - alle Filme sind verknipst

Auf dem Rückweg zum Hotel besuchen wir noch eine Teppichschule. Nein, das ist kein Institut, auf dem Teppiche etwas beigebracht bekommen. Khaled erklärt es uns so, daß Kinder dort einen halben Tag lang Teppiche knüpfen und einen halben Tag lang unterrichtet werden. Außerdem werden sie dafür bezahlt. Die Knüpferei wird uns auch gezeigt. Nur keine Schulzimmer. Irgendwie sieht das trotz aller Beteuerungen nach einer Fabrik für Kinderarbeit aus.
Auch können wir dort wieder einkaufen. Diesmal Teppiche aus Handarbeit. Natürlich wollen sie uns in erster Linie die sündhaft teueren Seidenteppiche andrehen. Ich amüsiere mich über die dicke Frau mit Bart, die gerade lautstark einen der gewieften Verkäufer abzuwimmeln versucht. ("Naa, etz hern sie mir amol zou. Und louns mer mai Rouh") Der Händler ist dabei, ihr eine kleine Seidenbrücke (so etwa 30 mal 40 Zentimeter) für 400 Mark zu verkaufen.
Zu Beginn der Führung wurde eine Bestellung aufgenommen, wer von uns etwas trinken möchte. So sehr ich mir jetzt auch den Hals verrenke, ich sehe nicht, wo ich meinen Tee bekommen könnte. Wie üblich eben. Später im Bus bemerke ich, daß unsere dicke Frau eine Plastiktüte dabei und einen hochroten Kopf auf dem Hals hat. Scheinbar hat der Verkäufer gewonnen.

Zurück beim Hotel stellen wir fest, daß der rote Teppich ausgerollt ist. Nein, leider nicht für uns. Aber immerhin wartet der Abend noch mit einem Extra-Bonus auf uns. Und zwar mit einer Hoteleinweihung. Etwas seltsam kommt es uns schon vor, daß das Hotel, in dem wir (und zwar nicht nur wir, sondern auch andere Gäste) bereits am Montag gewohnt haben (und das auch nicht unbedingt nagelneu aussieht) jetzt erst eingeweiht wird, aber wenn es dafür auf der gesamten Hotelanlage verschiedene kalte und warme Buffets (endlich mal WIRKLICH mit ägyptischem Essen) und diverse Bars (alles natürlich kostenlos) und als Zugabe noch einiges von der einheimischen High-Society incl. Kulturminister und Tourismusminister nebst Anhang und Bodyguards gibt, dann ist das doch eine nette Erinnerung.
Bei solch einem Querschnitt durch Kairos Schicki-Micki-Gesellschaft fällt es nicht mal auf, wenn sich fränkische Touristen danebenbenehmen.

Während des Abends bemerken wir, daß wir noch viel zu viel ägyptische Pfund übrig haben. Da wir wissen, daß wir bei einem Rücktausch daheim fast nichts mehr dafür bekommen, müssen sie also noch ausgegeben werden. Zum Glück hat das Hotel eine Ladenpassage.
Über mehrere Stunden verteilt kauft jeder noch Reiseandenken und Mitbringsel. Geli findet einen Silberschmied, bei dem sie zwar auch nicht die erhofften Ringe bekommt aber dafür zumindest zwei Kartuschenanhänger, in die sie die Namen von ihrem Freund und sich einfügen lassen kann. Und das noch am gleichen Abend. Jetzt versteht sie auch, warum ich meine Kreditkarte für den Notfall dabei habe. Denn für die Kartuschen reicht unser Bargeld doch nicht mehr. Aber ich helfe doch gerne mit der Eurocard aus. So bin ich halt. Geli strahlt. Sie bekommt für ihren Schmuck auch einen speziellen Ramadan-Rabatt. Wir freuen uns zwar, sind aber doch etwas irritiert, denn schließlich ist im Moment doch keine Fastenzeit. Irgendwann kommen wir aber darauf, daß "Ramadan" der Name des Reiseführers von Wurm 2 ist. Also hat der hier seine Finger im Spiel.
Ich kaufe in einem anderen Laden endlich meine drei verschieden großen Alabasterpyramiden (in Giza gab es da nichts Besonderes), die ich daheim zusammen mit dem Wüstensand in einer Schale gruppieren will. Außerdem besorge ich mir noch etwas Kleinkram (Kugelschreiber, Schlüsselanhänger, Tasse etc.). Am Ende unserer Einkaufsorgie habe ich noch 2 1/2 Pfund übrig. Die anderen haben auch nicht mehr viel mehr.
Zum vereinbarten Zeitpunkt hole ich mit Geli die fertigen Kartuschen ab. Plötzlich will dieser Mensch noch 20 Pfund für's Taxi, mit dem er die Kartuschen angeblich zur Beschriftung in die Werkstatt geschickt hat. Auf unsere Beteuerung, daß wir kein Geld mehr haben (warum hat er das auch nicht vorher gesagt), geht er erst auf 10 Pfund runter (war das Taxi plötzlich billiger ?) und ist dann mit den 2 Pfund zufrieden, die wir ihm noch anbieten können.

Nach diesem Fest sind sogar Mia und Geli wieder mit dem Tag versöhnt. Und das, obwohl sie feststellen mußten, daß die Ohren ihrer Figuren aus der Alabasterfabrik den Flug nicht überstanden haben und ins Bröselstadium übergehen. Ich habe ihnen ja gleich gesagt: Nicht in den Koffer, sondern ins Handgepäck. Was glauben die denn, warum ich mein schweres Zeug den ganzen Tag über im Rucksack mit mir rumgeschleppt habe ?
Ach ja, nochwas: Günther und Werner haben inszwischen gehört, daß die bestellten Gruppenfotos aus dem Horus-Tempel schon ausverkauft sind. Waren die dicken Frauen mit Bart schneller als wir. Aber wir werden's überleben.
So nach und nach machen sich Ausfallerscheinungen bei meinen Mitreisenden bemerkbar. Wir hatten vorher zwar beschlossen, daß wir durchmachen wollen, aber einer nach dem anderen verschwindet in seinem Zimmer. Am Ende bin ich alleine. Toll.
Da der Abflug um halb fünf Uhr morgens geplant ist, sollen wir um ein Uhr geweckt werden. Deshalb bleibe ich gleich wach. Wenn ich jetzt ein bis zwei Stunden schlafe, bin ich hinterher erst recht tot.
Ich lege mich mit Cola, Walkman und Buch auf mein Bett und während ich lese, geht der Samstag über in den Sonntag und damit Abschiedstag von Ägypten.