Donnerstag, 19.06.2003 (vierter Tag):
 
Okay, das Aufstehen fällt heute mal wieder wirklich nicht leicht. Rein bettmäßig bin ich froh, wenn ich wieder daheim bin.

Nach dem Frühstück machen sich Gerhard und Marco auf den Weg zu Madame Tussaud’s während Brigitte und ich in Richtung Tower verschwinden. Und abgesehen davon, dass wir einmal beim Umsteigen die falsche U-Bahn erwischen (ist aber auch bescheuert, wenn an ein und demselben Bahnsteig drei verschiedene Linien abfahren) kommen wir dort um kurz nach 10 Uhr gut an.
Die Schlange an der Kasse hält sich freundlicherweise in Grenzen, so dass wir ziemlich schnell drin sind.

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Wir stürmen sofort zum „Jewel House“, bevor hier der große Andrang kommt. Es sind auch noch alle Kronjuwelen da. Ich habe sie nachgezählt.

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Etwas störend ist nur, dass heute in London offensichtlich großer Schulausflugtag ist und es daher im gesamten Tower vor Kindern wimmelt. Waren wir in diesem Alter auch so nervig ? Ich fürchte, ja.

Während wir der Reihe nach die verschiedenen Tower im Tower durcharbeiten, stellen wir gegen zwölf Uhr fest, dass wir es nie bis zum vereinbarten Treffpunkt um eins im Covent Garden schaffen. Also rufe ich Gerhard an und wir verschieben das Treffen auf zwei. Bei ihm ist ein Höllenlärm im Hintergrund. Er erklärt, dass sie gerade wieder im Spielzeugladen sind, um die fehlenden Aufkleber in Marcos Panzer-Packung zu reklamieren. Offensichtlich (dem Geräuschpegel nach) ist bei Hamley’s auch Schulausflugstag. Und da sage noch einer, Handys wären nicht praktisch.

Einige Tower später überlegen Brigitte und ich, wie man wohl auf den Fußweg auf der Mauer raufkommt. Da oben, wo die Leute rumlaufen. Nachdem wir eine Viertelstunde später immer noch keine passende Tür gefunden haben, frage ich mal bei einem der freundlichen Beefeater nach. Aha, durch den Bloody Tower durch, dann rechts und beim Trailor’s Gate links hoch. Wirklich einfach, wenn man’s weiß. Wir steigen hoch, gucken von oben die Tower Bridge an und als wir auf der anderen Seite wieder runterkommen, fragt uns ein chinesisches Paar, wie wir denn da raufgekommen sind. Beruhigend. Wir sind nicht die einzigen Maulwürfe, die nix sehen.

So, jetzt wird es aber allerhöchste Zeit, wenn wir pünktlich im Covent Garden sein wollen. Diesmal passen wir auch besser auf, damit wir gleich die richtige U-Bahn erwischen. Wir müssen ohnehin mit der Kirche ums Dorf fahren. Als ich mir diesen Treffpunkt ausgedacht habe, muss ich irgendwie mit leichter geistiger Umnachtung geschlagen gewesen sein. Und prompt verspäten wir uns eine Viertelstunde. Das ist wohl genau die Zeit, die wir brauchten, um den Weg auf die Mauer zu finden …
Marco hat es bei Madame Tussaud’s gefallen und als ich ihn frage, wen er alles gesehen hat, meint er „viele Leute“. Immerhin hat ihn Gerhard mit dem aktuellen James Bond fotografiert.

Den restlichen Nachmittag über marschiere ich noch mal alleine durch die Stadt. Wehmütig verabschiede ich mich von „meinem“ London. Covent Garden, Leicester Square, Piccadilly Circus, Regent Street, Oxford Circus, Oxford Street, Marble Arch (wo ich mir noch ein kleines Abendessen bei Kentucky Fried Chicken gönne), Speaker’s Corner und a bissl Hyde Park. Lebt wohl – bis zu meinem nächsten Besuch.

Noch ein kurzer Stop im Hotel und es geht wieder los. Zuerst zum Bahnhof Paddington (auf welchem Gleis fuhr Miss Marple noch mal ab ???) und dann quer durch die Kensington Gardens bis zur „Royal Albert Hall“ und zum „Albert Memorial“.

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Als ich auf einer Bank in der Sonne (ja inzwischen scheint die Sonne wieder, nachdem es vormittags und am frühen Nachmittag bedeckt war) meine mitgebrachte Colaflasche öffne, stelle ich fest, dass sie im Rucksack wohl doch etwas zu viel geschüttelt wurde. Das Cola kommt mir freundlich entgegen und sagt „Hallo“, als ich den Verschluss aufschraube. Alles pappt. Ich brauche ein halbes Päckchen Tempos, um mich halbwegs wieder zu säubern. Und das, nachdem ich vorhin schon meinen Walkman runtergeschmissen habe. Zum Glück geht er noch.
Bei der „Serpentine Gallery“ stehe ich plötzlich mitten in einem Pulk von 200 – 300 elegant angezogenen Menschen und komme mir in meinen Jeans und dem Rucksack bei diesem Sektempfang von London’s Bussi-Bussi-Gesellschaft furchtbar fehl am Platz vor. Und da mich diese Galerie-Eröffnung jetzt auch nicht gar so brennend interessiert, trete ich schnellstens den Rückzug an.

Zurück im Hotel beschließe ich, dass das noch nicht alles gewesen sein kann. Und außerdem gilt meine Travelcard noch bis Mitternacht. Also, etwas Londoner Nachtleben oder nicht ? Eigentlich keine Frage. Und da ich in diesem Bett eh nur schlafen kann, wenn ich todmüde bin, hinterlasse ich für die Bruderfamilie eine Nachricht an der Rezeption und mache mich noch mal auf den Weg in die City.
Am Covent Garden singt ein Straßenmusikant herrlich traurige Lieder a la „Hotel California“ und dergleichen. Passt so richtig schön zu meiner melancholischen Abschiedsstimmung. Ich sitze einfach nur am Straßenrand, höre zu und beobachte die Leute, bis mir der Hintern weh tut.

Am Leicester Square schaue ich zuerst den Portraitmalern a bissl zu bevor ich mich auf eine Bank setze und hier alles einfach noch mal auf mich einwirken lasse. Die zwei Mädels auf der Bank neben mir gucken ganz skeptisch in ihre Aluschalen, die sie eben an einem Imbiss-Stand gekauft haben. Also, so wie das da drin aussieht, möchte ich es auch nicht essen. Ehrlich. Sie machen es aber trotzdem. Der Hunger treibt’s rein und der Ekel runter. Ich sehe einen Inder und frage mich, was er unter seinem Turban hat. Das Ding ist rund 40 cm hoch und total unförmig (der Turban, nicht der Inder). Vielleicht benutzt er ihn ja anstatt einer Einkaufstasche.
Auf dem Rückweg ins Hotel fällt mir mal wieder der Unterschied zwischen „Provinzstadt“ und „Weltstadt“ auf. In Nürnberg hat man Angst, nachts U-Bahn zu fahren, weil man da alleine drin sitzt. In London sind die Bahnen nachts genauso gerammelt voll wie tagsüber.

Zurück im Hotel fange ich schweren Herzens schon mal mit dem Koffer packen an, damit es morgen früh nicht so lange dauert. Dabei würde ich jetzt lieber aus- als einpacken.