Der Tag ist da. Heute geht’s nach München. Laut Plan brauche ich erst um 16:45 vor Ort zu sein. Ich kann also sogar noch ausschlafen.
Die Wegbeschreibung zum Autohändler in München in der Bodenseestrasse habe ich mir über’s Internet ausgedruckt. Und da ich mein Talent kenne, mich trotz Wegbeschreibung zu verfahren, mache ich mich sicherheitshalber schon gegen 13:30 auf den Weg. Sonntag Nachmittag, die Autobahn ist ziemlich leer. Es macht richtig Spaß, zu fahren. Von der A73 auf die A 9, bei Neufahrn auf die A 92. Beim Autobahnkreuz Feldmoching von der A 92 auf die A 99.
Moment mal, wieso steht da jetzt nichts mehr von Richtung „München West“ dran ? Ich wusste es. Ich und nach Anleitung fahren. Also gut, Zeit habe ich noch genug, drehe ich halt noch eine Runde über diverse Münchener Autobahnkreuze.
Knapp 15 Minuten später schließe ich den Kreis und fahre noch mal aufs Kreuz Feldmoching zu. Aha – da liegt der Fehler. In der Wegbeschreibung steht drin „wechseln sie auf die A 99“. Dieses „wechseln“ bedeutet aber nur, dass ich einfach geradeaus weiterfahren soll. Der Rest passiert von selbst. Das muss man erst mal wissen …
Das kurze Stück bis zum Ziel fährt sich dann fast von selbst.

Wie geplant bin ich zu früh dran. Ich parke meinen Polo in einer Parkbucht gegenüber des Gebrauchtwagenhandels, bei dem gedreht werden soll. Und das Hotel/Restaurant, bei dem die restlichen Szenen gespielt werden, ist auch nur 50 Meter davon entfernt. Prima. Um 16:15 klingelt mein Handy. Aha, sie verspäten sich etwa eine halbe Stunde. Gut, ich habe ja wieder ein Buch dabei. Stört mich also net wirklich.
17:25: eine SMS kommt an. „Ziehen jetzt um“
Und gegen 17:45 sind sie dann auch tatsächlich da.

Jetzt vielleicht mal kurz zum Inhalt der geplanten Sendung:

Linda Kern sucht Ingo Lenßen auf, da sie eine seltsame Geschichte aufklären will. Sie hat vor einem halben Jahr Paul Schmaler, einen attraktiven Piloten kennen gelernt und sich unsterblich in ihn verliebt. Er war aber noch nicht für eine intensive Beziehung bereit, da seine Frau vor kurzem gestorben sei und er erst einmal zu sich selbst finden müsse. Das Problem an der Geschichte ist, dass Linda Kern ihm 25.000 € geliehen hat, die sie bis heute noch nicht zurück bekommen hat.
Paul Schmaler hat sich ein halbes Jahr lang gar nicht gemeldet und plötzlich ruft er an und will sich mit Linda Kern verabreden. Die Ermittler sollen sie bei ihrem Treffen mit Paul Schmaler begleiten und ihn observieren, damit er nicht wieder spurlos verschwinden kann.
Natürlich kann Paul Schmaler wieder nicht zahlen, im Gegenteil, er versucht noch bei einem Treffen in einem Restaurant noch mehr Geld zu leihen und verspricht Linda Kern ewige Liebe …
Dann tauchen zwei fremde Männer auf (einer davon bin ich), mit denen Paul Schmaler etwas abseits spricht. Daraufhin muss er auch gleich wieder gehen, angeblich einen Kollegen vertreten.
Die Detektive hängen sich an seine Fersen und beschatten Paul Schmaler. Er fährt aber nicht zum Flughafen, wie er gesagt hat, sondern zu einem schicken Wohnhaus. Am nächsten Tag verfolgen die Ermittler ihn zu einem Gebrauchtwagenhandel und abends trifft er sich sogar noch in einem Hotel mit einer anderen Frau.
Die Ermittlungen beim Gebrauchtwagenhandel (bei mir) ergeben, dass Paul Schmaler eigentlich Paul Breit heißt, verheiratet ist und als Gebrauchtwagenhändler arbeitet.
Er und seine Frau Eva Breit sind ein kleines Ganovenpärchen, das sich mit gespielter Liebe von alleinstehenden Leuten Geld leiht. Die Detektive und Ingo Lenßen stellen das Ehepaar Breit, bringen Linda Kern ihr Geld zurück und erstatten Anzeige gegen das Betrügerpärchen.

Darum geht’s also.

Die Szenen bei Ingo Lenßen im Büro und beim Wohnhaus des Ehepaares Breit wurden alle schon gestern gedreht. Heute ist noch der Autohandel und das Hotel/Restaurant dran.

Als erstes kläre ich mit Mario, der für Kostüme zuständig ist, was ich in welcher meiner beiden Szenen anziehen soll. Wir einigen uns auf Anzughose, eines meiner neuen Hemden und meine Lederjacke für die Sache im Restaurant. Für die Szene beim Autohandel soll ich die Klamotten, die ich schon für die Fahrt anhatte (Jeans, Hemd und Strickjacke) verwenden.
Geplant ist, dass ich als Kollege von Paul Breit zum Imbiss-Stand neben dem Autohandel gehe, mir dort eine Semmel hole und dann vom Ermittler Christian Storm angesprochen werde. Nur dummerweise hat niemand damit gerechnet, dass die Bude am Sonntag zu hat.
Und jetzt stelle ich auch zum ersten mal fest, warum diese Serie teilweise irgendwie stark improvisiert wirkt. Sie ist improvisiert. Die Bude hat zu ? Gut, pappen wir ein Schild dran „Wegen Krankheit geschlossen“. Aber dann entscheidet der Regisseur, dass wir’s doch ganz anders machen und Christian mich stattdessen bei den Gebrauchtwagen ansprechen soll. Wir machen das schon irgendwie … Aber zuerst brauchen wir noch einen Parkplatz für die Ermittler, von dem aus sie observieren können. Na, da bietet sich doch förmlich der Stellplatz auf der gegenüberliegenden Straßenseite an, auf dem dieser blaue Polo steht. Wem gehört der ? Mir ? Wie günstig. Ob ich denn etwas dagegen hätte, wenn ein Mitarbeiter vom Team mein Auto dann wegfahren würde, damit das Film-Auto Platz hat ? Sag’ da mal „nein“ … Vielleicht kommt mein Polo auf die Art ja sogar ins Fernsehen.

Ich suche vergebens irgendwelche Fernsehkameras. Als ich genauer hingucke, fällt mir auf, warum die Bildqualität bei „Lenßen & Partner“ immer so stark video-mässig verwackelt und unprofessionell ist. Die drehen überwiegend mit Video-Handkamera.
Deshalb sind die ganzen Dreharbeiten auch sehr unauffällig, so dass sogar zwischendurch immer mal echte Kunden zwischen den Autos rumlaufen.
Außerdem drehen die alles ohne Make-Up. Zumindest bei den Kleindarstellern. Wir dürfen in unserer natürlichen Hässlichkeit ins Fernsehen. Na prima.
Und geprobt wird auch nix. Einfach machen und drehen … bzw. improvisieren.

Aber jetzt … Kamera läuft. Ich sitze in meinem kleinen Autohändler-Kabuff hinten am Platz und vorne fährt mein „Kollege“ mit seinem Porsche Cabrio rein. Er steigt aus und kommt zu mir in die Hütte.
Gegenüber fährt mein Polo davon und der Alfa der Ermittler stellt sich in die Parkbucht. So weit so gut. Wir warten auf das vereinbarte Kratzgeräusch aus dem Walkie Talkie. Das ist das Zeichen für Günter (Darsteller von Paul Schmaler/Breit), rauszugehen und die Ermittlerin Sandra Nitka vollzuschleimen. Dabei wedelt er mit so einem (improvisierten) Verkaufszettel von einem der Autos rum. Zweites Kratzen, ich gehe raus und störe die beiden. Dabei fällt der Ermittlerin auf, dass ich derjenige von gestern Abend aus dem Restaurant war (Witzig – gestern Abend. Die Szene ist noch nicht mal gedreht).
Kurze Unterbrechung. Alles hat gepasst. Ich sollte nur noch a bissl lauter reden. Schließlich bin ich nicht verkabelt, sondern werde nur über die Mikros der anderen mit aufgenommen.
Nächster Teil. Ich warte wieder in der Hütte auf mein Kratzen. Und nachdem mal schnell zwei echte Kunden von dem Auto weggescheucht sind, neben dem wir als nächstes drehen wollen, kommt das Signal.
Ich marschiere mit unserem Improvisations-Auto-Zettel raus und gehe zum vereinbarten schwarzen Audi. Und was mach’ ich da ? (Anweisung des Regisseurs: „Da fällt Dir schon was ein“). Nun gut, ich vergleiche halt irgendwelche Daten, die auf dem Plakat im Auto stehen, mit denen auf meinem Zettel. Und vergleiche. Und vergleiche. So langsam könnte Christian mal über die Strasse kommen. Komme mir irgendwie blöd vor, wie ich hier immer zwischen den beiden Plakaten hin und herschaue.
Na, endlich isser da und wir spielen unseren Dialog.
Gut, überstanden.
Und das war’s dann auch schon mit meinem Text.
So, jetzt noch die Szene, in der Paul Schmaler/Breit wieder in Pilotenuniform aus der Hütte kommt, mit seinem Porsche wegfährt.

Und damit sind wir erstmal fertig. Ein Blick auf die Uhr zeigt, dass wir wunderbar im Zeitplan liegen.
Jetzt muss es dunkel werden, damit die Abend/Nachtszenen in Restaurant und Hotel gedreht werden können.
Da bietet es sich doch an, dass die gesammelte Herde bei McDonalds nebenan einfällt. Der arme Kerl an der Kasse ist sichtlich überfordert damit, eine Bestellung von 12 – 15 Leuten aufzunehmen und abzuwickeln. Glücklicherweise bekommt er Unterstützung. Und wir bekommen eine Rechnung über 90 Euro.
Günter (mein Autohändler-Kollege) hat sich eine Riesen-Portion bestellt und bekommt jetzt vor lauter Nervosität fast nix runter. Hat auch Nachteile, die große Rolle zu spielen *grins*.
Hier im McD stößt auch noch unsere dritte Kleindarsteller-Kollegin dazu. Das ist „Linda Kern“, die den ganzen Fall angestoßen hat. Sie und Günter sind inzwischen jeweils schon zum dritten mal bei solch einer Reality-TV-Sache dabei. Sie haben beide schon zwei Gerichts-Sendungen hinter sich. Günter beschwert sich darüber, dass er immer die Arschloch-Rollen spielen muss. Einmal beim „Familiengericht“ als geschiedener Ehemann, der das Sorgerecht für’s Kind beantragt. Es stellt sich aber heraus, dass er das Kind nur „benutzt“ um Drogen zu schmuggeln. Und beim „Strafgericht“ war ein ein Zuhälter.
Immerhin darf er diesmal zumindest mit einem Porsche Cabrio fahren. Ist doch auch was wert.
Und hier bei McDonalds erfahre ich auch, dass Sandras Nitkas Spitzname im Team offensichtlich „Schnitti“ ist.

Gegen 20:30 Uhr ist es dunkel genug und wir können weitermachen.
Jetzt kommt die Szene, in der Paul Schmaler mit der unbekannten Frau im Restaurant sitzt und anschließend im Hotel verschwindet. Hier ist auch geplant, dass der Ermittler Christian Storm einem indischen Rosenverkäufer („Wolle Rose kaufen ?“) vor dem Restaurant für 50 Euro den gesamten Strauß abkauft, ihn mit einer Wanze versieht und ihn dann drinnen an Paul weiterverkauft. Auf die Art kann man mithören, worüber die beiden sprechen.
Als ich den Strauß das erste mal sehe, lache ich mich schlapp. Jeder von uns hat mit schönen langstieligen Rosen gerechnet und was haben sie da ? So ein Mickerding in Plastikfolie, das man fast übersieht. Wohl schnell noch an der Tankstelle nebenan besorgt. Aber wie gesagt: Wir leben hier mit der Improvisation. Dafür wird der Preis für die Blumen von 50 auf 30 Euro gesenkt.
Während der Stellproben im Restaurant (Welchen Tisch brauchen wir, damit er vom Auto aus gut einsehbar ist und gefilmt werden kann ? Wo sollte sich Christian im Restaurant mit den Rosen hinstellen, damit man alles gut sieht ?) marschiert Christian immer wieder mit den Worten „Wolle Rose kaufen ?“ ins Restaurant. Ihm nimmt man den Inder aber auch so was von überhaupt nicht ab ….
Lustig wird es, als er wieder ins Restaurant marschiert („Wolle Rose kaufen ?“). Günter will ihn gerade grinsend mit den Worten „Hau ab, Du Depp“ wegschicken, als er bemerkt, dass diesmal gedreht wird.
Gerade noch rechtzeitig fällt ihm mit ziemlich rotem Kopf sein Text ein und das Ganze geht weiter. Allerdings vergisst er, die Blumen bei Christian zu bezahlen. Woraufhin dieser später im Foyer meint „Hey, ich bekomme noch 30 Euro von Dir“.
Wirklich eine sehr lockere Stimmung.

Schließlich verlässt „Paul Schmaler“ mit seiner Verabredung das Restaurant und lässt sich an der Rezeption einen Zimmerschlüssel geben. Dummerweise hat nur irgendwer vergessen, der Tante vom Hotel zu sagen, dass sie jetzt mitspielen soll und was zu tun ist. Aber da sie weiß, dass hier gedreht wird, händigt sie nach einigem Stottern den Schlüssel aus.
Auf dem Weg zum Lift hält die Unbekannte die Rosen mit den Blüten nach unten. Scheppernd fällt der Sender des Abhörmikros aus dem Strauß auf den Boden. Wir Unbeteiligten grinsen bis hinter die Ohren. Aber Günter ist geistesgegenwärtig und da man bei der üblichen Lenßen & Partner-Bildqualität wahrscheinlich eh nicht erkennen kann, was da runtergefallen ist, hebt er das Kästchen einfach auf und sie gehen weiter zum Lift.

Nun kommen die Aufnahmen von außen durch's Fenster in das Zimmer des Hotels, in das sich die beiden zurückgezogen haben. Auch hier gibt es erst wieder Stellproben, damit festgestellt werden kann, welche Möbel drinnen weggeräumt werden müssen, damit man von außen sehen kann, was man sehen soll.
Schließlich ist geplant, dass die Unbekannte mit dem Rücken zum Fenster noch einen Strip hinlegt, bevor Paul Schmaler die Vorhänge zuzieht. (Das ist gut für die Quoten. Der Strip, nicht das Zuziehen der Vorhänge.)
Während wir von unten zu dem erleuchteten Fenster im ersten Stock hochgucken, gibt unser Regisseur per Walkie Talkie die Anweisung, dass sie schon mal testweise hinter dem Fenster ihr Oberteil ausziehen soll. Nachdem sie es gemacht hat, stellt er fest, dass es doch Vorteile hat, wenn man der Regisseur ist. Alle machen, was man ihnen sagt.
Dann werden wir, die wir nichts mit dieser Szene zu tun haben, ein paar Meter zur Seite gescheucht, von wo aus wir keinen Einblick mehr auf das Fenster haben. Wir können uns das Ganze ja später im Fernsehen angucken ...
Nachdem die Szene im Kasten ist, gehen wir wieder ins Hotel. Kurz vor dem Eingang fragt Sandra grinsend nach, ob „denen da oben“ jemand gesagt hat, dass wir fertig sind und sie „aufhören“ könnten … ?

Nun wird sie Sache mit der Rezeption noch mal aus anderen Kameraperspektiven gedreht. Diesmal fällt kein Sender aus dem Blumenstrauß.
Vor dem McDonalds nebenan sitzt eine Gruppe Jugendlicher die uns neugierig beobachten. Nachdem sie mitbekommen haben, für welche Serie hier gedreht wird (scheinbar haben sie Sandra und Christian erkannt) grübeln sie lautstark, ob die Autos (besonders der Porsche) wohl gekauft oder geleast sind.

Jetzt kommen die Szenen im Restaurant (die im Film dann als „erster Abend“ gezeigt werden) dran. Bin ja mal gespannt, ob im Film auffällt, dass das Restaurant - abgesehen von uns paar Hanseln – immer komplett leer ist. Und dass auch kein Kellner da ist und dass niemand was zu essen oder zu trinken hat.

Zum Abschluss kommt noch eine improvisierte Auto-Verfolgungsjagd. Bevor die losgeht, debattieren Christian und Günter noch, wer den Porsche danach wieder zum Hotel zurückfahren darf.
Christian hat gewonnen.

Und nachdem alles glücklich überstanden ist, wollen alle „großen Kinder“ noch eine Runde mit dem Porsche drehen. Ganz glücklich sieht unser Redakteur bei dem Gedanken nicht aus.

So, und anstatt 22:15 oder 22:45 ist es inzwischen schon 00:15 Uhr und ich frage mich, warum ich mir kein Hotelzimmer habe zahlen lassen.
Ich Trottel darf jetzt noch knapp 2 Stunden zurückfahren. Klasse.

 
Zum Glück ist die A 99 schön leer. Die A 92 auch. Aber sobald ich auf der A 9 bin fällt mir auf, dass das Sonntags-Fahrverbot für LKW nur bis 22 Uhr gilt. Ist das ein Verkehr. Und das mitten in der Nacht.
Aber bei der 3-spurigen Autobahn geht das noch. Anstatt wie sonst üblich mit Tempo 120 oder 130 gehe ich mal a bissl mehr aufs Gas und fahre mit 170 in Richtung Heimat. Benzin zahlt ja KirchMedia.
Mein Polo schaut mich ganz erschrocken an, weil er plötzlich so gefordert wird. Aber zum Glück gibt es ziemliche viele „Tempo 100 – von 22 bis 6 Uhr“-Zonen und eine große Baustelle bei Ingolstadt, so dass er immer wieder mal verschnaufen kann.
Im Radio kommt die übliche Nachtmusik. Ich schalte um auf CD. Die wird nur alle halbe Stunde von den aktuellen Verkehrsmeldungen rings um Leverkusen unterbrochen. Toll, die interessieren mich wirklich dringend. Was sendet Bayern 3 nachts eigentlich für einen Schrott ?

Gegen 2 Uhr bin ich daheim. Geschafft, aber zufrieden.